Elternverband hörgeschädigter Kinder Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.
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Als Gast durften wir Frau Miriam Haferkamp vom Bildungsministerium (Referat 430: Inklusion, Grundschulen, Förderschulen, Migration,
europäische Bildungszusammenarbeit) begrüßen.
Sie gab uns einen Überblick über den Stand der Entwicklung beim Aufbau der Schulen mit spezifischer Kompetenz (siehe Flyer).
Dabei ging sie auf die baulichen Maßnahmen, den Personaleinsatz, die Qualifizierungsangebote und die konzeptionelle Arbeit ein.
Speziell zum Förderschwerpunkt Hören konnte sie berichten, dass die Deutsche Gebärdensprache (DGS) inzwischen als
Unterrichtsfach anerkannt wurde und das Landesförderzentrum für den Förderschwerpunkt Hören M-V in Güstrow den Auftrag erhalten
hat, bis zum Sommer ein Konzept zu erstellen.
Die Diskussion enthielt neben vielen persönlichen und emotionalen Beiträgen der anwesenden Eltern und selbstbetroffenen
Jugendlichen auch fachliche Nachfragen und Anregungen durch die beiden Hörgeschädigtenpädagoginnen.
Prägnante Aussagen der Teilnehmer
„Wir hatten Glück mit der schulischen Laufbahn unserer Tochter. Beständigkeit ist das Zauberwort. Sie wurde mit den Kindern ihrer Kindergartengruppe eingeschult und ist bis jetzt mit einem großen Teil dieser Gruppe in einer Klasse am Gymnasium. Auch die Begleitung durch das LFZH war kontinuierlich.“
(Mutter einer 15jährigen schwerhörigen Tochter)
„In Hamburg wird die Frühförderung von Hörgeschädigtenpädagogen durchgeführt. Diese sind in MV nicht ausreichend vorhanden. Die Aus- bzw. Fortbildung sollte verpflichtend gemacht und überprüft machen.“
(Hörgeschädigtenpädagogin, tätig an einer Schule mit spezifischer Kompetenz)
„Gebärdensprache muss schon in der Ausbildung aller Lehrer etabliert werden. Nur so können eine breitere Präsenz und auch Sensibilität für das Thema erreicht werden.“
(Mutter einer schwerhörigen Tochter)
„Die Frage, welche Schule die beste Schule für unseren Sohn ist, war eine schwierige. Schafft er mit seiner Hörbeeinträchtigung den Schulalltag? Wie gelingt Kommunikation für ihn in der hörenden Welt? Hat er an dieser Schule gute Chancen auf Erfolg im Leben? Wird er gut aufgenommen und akzeptiert?
Wir entschieden uns für die Grundschule am Ort; der kurze Weg, das soziale Gefüge und die kleinen Klassen waren ausschlaggebend. Dank dem Verständnis und dem Bemühen der Lehrer:innen war das die richtige Entscheidung. Seit der 5. Klasse besucht unser Sohn eine kleine Privatschule. Auch diesmal waren die Erreichbarkeit der Schule, Freunde, die diese Schule ebenfalls besuchen sowie die kleinen Klassengrößen (18) entscheidende Kriterien. Er ist an dieser Schule zufrieden.“
(Mutter eines 16jährigen schwerhörigen Sohnes)
„Wir machen uns große Sorgen um die Schullaufbahn unserer Tochter, die jetzt eingeschult werden soll. Wir finden keine Schule in MV, an der die Lehrer Gebärdensprache können. Wir haben beide viele schmerzliche Erfahrungen an der Gehörlosenschule in Güstrow gemacht. Da viele Lehrer nicht gebärdeten, haben wir große Wissenslücken bzw. mussten wir später in der Berufsausbildung viel nachholen. Alles kann man nicht nachholen und es war immer sehr anstrengend, die Lautsprache zu verfolgen (Absehen vom Mund). Das wollen wir unseren Kindern ersparen.“
(Eltern von zwei gehörlosen Kindern, selbst gehörlos)
„Meine Tochter geht an eine kleine Privatschule. Es sind nur wenige Kinder in einer Klasse. Das ist schön. Gebärden werden nicht verwendet. Ich frage immer die Lehrerin, wie es läuft. Sie sagt, dass alles in Ordnung ist. Aber ich bin mir etwas unsicher, denn ich kenne den Umgang in einer Schule für Hörende nicht. Ich bin zur Gehörlosenschule gegangen und kenne die Gehörlosenkultur.“
(Mutter von zwei gehörlosen Töchtern, selbst gehörlos)
„Ich bin erst spät mit Gebärdensprache in Berührung gekommen. Während meines FSJ habe ich den Einsatz beobachtet und begonnen DGS zu lernen, was ich nun im Studium vertiefe. Rückblickend muss ich sagen, dass es schade ist, dass ich nicht schon vorher den Zugang zu Gebärden hatte. Sie hätten mir Vieles im Leben erleichtert. Ich wünsche jedem hörgeschädigten Kind, dass es die Möglichkeit hat, Gebärden zu lernen.“
(Studentin der Hörgeschädigtenpädagogik)
„Kommunikation von Beginn an ist sehr wichtig für die soziale und kognitive Entwicklung der Kinder. Dies kann mit Gebärdensprache erreicht werden. Wenn sie erst eingesetzt wird, wenn das Kind nicht in die Lautsprache kommt, ist es für den Spracherwerb oft schon zu spät.
Die Aufklärung der Eltern ist das A und O. Für die Eltern ist die Meinung der Ärzte richtungsweisend. Wenn Ärzte nach einer Diagnose und CI-Indikation Eltern sagen, mit CI könne ihr Kind hören und würde sich ganz normal sprachlich entwickeln können, ist das aus medizinischer Sicht richtig, aber Hören bedeutet nicht Verstehen. Aus pädagogischer Sicht ergeben sich viele Aufgaben zur Beobachtung bzw. Förderung der Sprachentwicklung. Dessen sollte man sich bewusst sein und es wäre förderlich, wenn auch die Ärzte schon darauf hinweisen und somit die Pädagogen unterstützen, indem sie die Eltern darüber aufklären, dass ein bilingualer Spracherwerb (Lautsprache und Gebärdensprache gleichwertig fördern) die günstigste Ausgangslage für den Erstspracherwerb darstellt. Das Kind in seiner Entwicklung zeigt, welche Sprache es favorisiert – ohne Einfluss von außen (Eltern, Ärzte, Pädagogen). Sprachwissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass nach erfolgter CI-Operation die Kinder grob in Drittel eingeteilt werden können:
Das erste Drittel durchläuft einen ganz normalen Spracherwerb wie hörende Kinder auch.
Das zweite Drittel kommt verzögert und mit Problemen in den Spracherwerb, der nicht so vollkommen ist, wie erhofft.
Das dritte Drittel fällt hinten über und erwirbt die Lautsprache bruchstückhaft bis kaum.“
(Hörgeschädigtenpädagogin, tätig in der Förderung im Gemeinsamen Unterricht)
Wir sind gespannt auf den Fachtag, bei dem Ärzte und Pädagogen gemeinsam über die neutrale und fachlich fundierte Aufklärung der Eltern hinsichtlich Hörschädigung und Spracherwerb, Chancen und Risiken des CIs und Einsatz von DGS beraten wollen.
… und bleiben am Ball für die bestmögliche Förderung der Kinder mit Hörschädigung!